24 Stunden am Tag bläst der Wind
Soundtrack: windig
Stimmung: Meeresrauschen
Montag:
Arbeitstag eins nach der Grabung ist sehr unangenehm, von wegen
ausschlafen und so. Flugs machen sich Stefan, Jochen und Jo auf
in die geheimnisvolle Kathedrale mitm Fake-Kolumbus drinne. Die
geplante Einkaufstour für überlebenswichtiges Zeug wie Dosenravioli
fällt aus. Mal wieder sind alle Geschäfte dicht. Und zwar deswegen,
weil eigentlich am gestrigen Sonntag irgendein sevillanischer
Heiliger Geburtstag hatte. Da ein freier Montag aber noch besser ist,
hat der Bürgermeister den Feiertag mal einfach auf heute gelegt. Die
Nacht vor der Rückkehr in den eiskalten Norden verbringen die beiden
Eifelboys mit diversen Kaltgetränken in der Stadt.
Dienstag:
Kurz nachdem der fesche Camarero Flo heimgekehrt ist, packen wir
unsere siebenundneuzig Campingsachen und ab geht's nach Jerez. Den
dortigen Aeropuerto zählt man unter die zehn bedeutendsten Flughäfen
Südwestandalusiens. Und schon wieder verlassen uns nette Besucher mit
dem guten Gefühl, etwas fürs Leben gelernt zu haben! Als Abschiedsgeschenk
wird unsere Tankfüllung gesponsert, danke! Wir fliegen weiter nach Bolonia,
so ähnlich wie die Stadt in Oberitalien. Aber wer will schon nach Italien?
Unser Bolonia ist nämlich auch keine Stadt sondern (trotz Wolken am Himmel!)
der weichste Feinlangkornsandstrand von ganz Al-Andalus. Dort treffen wir
nach einiger Zeit auch unsere Mitreisenden Espaniolen. Einige Stiere, die
unseren Parkplatz umschleichen, sind anscheinend zu faul zum stierkämpfen.
Wir versuchen mit unserer Picknickdecke eine Corrida anzuheizen, jedoch
ohne Erfolg. Nach ner mit Gas aufgeheizten Mahlzeit aufm Parkplatz besichtigen
wir braven Archäologen die lokalen Mauerreste. Die Römerhochburg
"Baelo Claudio" liegt direkt am Wasser und wieder mal alles kaputt weil
schon ziemlich alt. Wo wir auch schon bei unserem eigentlichen Ziel wären:
Tarifa. Weltreputation ereilte den Ort durch seinen konstanten Wind. Für
Profi-Kitesurfer wie uns genau das Richtige. An sich brauchen wir ja nicht
viel zum Lebern. Ein Stellplatz aufm Camping reicht normalerweise dicke. Nur
ist schlecht, wenn alle sechs vorhandenen (und wahrlich nicht kleinen!) voll
sind. So sind wir gezwungen die kostengünstigere Variante zu wählen und ganz
schön wild zu Übernachten. Unsere Monederos machen deshalb Luftsprünge. So
schlagen wir also die beiden Kutschen und eine neu erstandene
Zelt-Weltraumstation am nördlichsten Ende der Bucht auf. Dort sind wir
allerdings in guter Gesellschaft von hunderten anderen europäischen
Windtechnik-Freaks und Althippy-Campertypen.
Mal wieder wird versucht, Fisch zum Abendessen zu reichen. Mal wieder mit
wenig Erfolg. (Anm. Jo: Ich wars nicht alleine! Eigentlich hat Manuel es
versucht!). Aufgrund des wenig durchschlagenden Fischfangerfolgs gibt's
dann komische spanische rosarote Würstchen. Unsere Spiegelkugel verwandelt
die Space-Station zu ganz später Stunde in ne noch spaceigere
Surfer-Abgeh-Station.
Mittwoch:
Schon eine nicht unbekannte Stuttgarter Hip-Hop Combo besang den
"Tag am Meer". Den geben wir uns heute auch mal zur Abwechslung.
Entspannt genießen wir das farbenprächtige Schauspiel der Surfer
und Kites zu Wasser und in der Luft. In dieser liegt auch ein
komischer uns absolut unbekannter Geruch nach Wiese oder Moos oder so.
Muss wohl von Marokko aus herübergezogen sein. Gibt's da angeblich ganz
viel, wispert man.
Um die wirklich fantastische Aussicht auf den schwarzen Kontinent
noch ein wenig besser zu erhaschen, erklimmen wir eine riesige Düne,
von der man fast bis nach Kapstadt sehen kann. Mit unserem
Ikea-Bügelbrett wollen wir die Düne runterschlittern. Das scheitert nur
leider am Bügelbrett. Scheiß Ikea! Beim Abstieg fällt uns ein grüngrau
gefärbter Menschenauflauf auf, der einem nicht ratifizierten Ritual
nachzugehen scheint. Neugierig schleichen wir uns auf Katzenpfötchen an
die Leute heran. Als wir nah genug dran sind an den Schlawinern sehen wir,
dass sie sich mit einer Mischung aus Schieferstaub, Schlamm und Sand von
den Oberohrläppchen bis zu den Fußhaaren einschmieren. = Fango. Ob sie
benebelt sind, erschließt sich uns nicht. Um nicht erkannt zu werden,
eifern auch Flo und Manuel um die Wette, wer sich wohl am dreckigsten
machen kann. Eingeschlammt werden martialische Kampfrituale rhythmisierend
imitiert.
Nachmittags machen wir Bekanntschaft mit bösen Uniformstypen. Die sind
so gemein, dass wir unsere unter Schweiß und Tränen aufgebaute Raumstation
wieder abschießen müssen. Schmerzlich kommt noch hinzu, dass sie unsere
Personalien aufnehmen. Um zu protestieren, hissen wir eine Fahne der
sevillanischen sozialistischen Arbeiterbewegung. Beim nächsten Mal werden
wir wohl sofort mit deren Strahlenkanonen in den Tarifa-Fun&Wind-Windsurfknast
weggebeamt.
Nach einem weiteren Abendessen ohne Fisch - diesmal wurde es gar nicht erst
versucht - verlässt uns ein Teil der Crew leider schon wieder. Die kommen
mit faulen Ausreden, von wegen Lernen und Arzttermin. Der Rest fährt nach
Duschtown Tarifa. Die dortige Süßwasserdusche am Stadtstrand okkupieren wir
zum Unmut der abendlichen Badegäste eine kleine Ewigkeit.. Beim typisch
spanischen Italiener von nebenan genießen wir Pazza und Pista. Zu unserer
freudigen Überraschung stellen wir fest, dass in der Altstadt so richtig was
gebacken ist. Verwinkelte Gassen mit ausschließlich jungem Publikum und tollen
Kneipen, Restaurants und kleineren Dissen. Heute machen wir aber nicht lang.
Wir fahren zurück in die gefährliche Weltraumcamping-Zone und schlagen 100 Meter
weiter entfernt unsere Zelte wieder auf damit die grünweißen Stiere uns nicht
finden. Ganz schön ausgefeilt, ne?
Donnerstag:
Sommer, Sonne, Strand, Sand, Samba und Segel - auch heute heißts:
Immer schön ruhig. Da wir die hiesigen Strandbars schon ausgecheckt
haben, ergattern wir leckere Hamburgesas zum Freundschaftspreis. Von
wegen "wir leben inner Kommune, da kriegste die Bulette für lau!" Die
Duschen in Tarifa haben uns so gut gefallen, dass wir das Schauspiel
abends wiederholen. Erfrischt fahren wir auf den tollen Mirador
(Aussichtspunkt) zwischen Tarifa und Algeciras, um von dort aus Marokko
im Sonnenuntergang zu bewundern. Mit den vorher eingekauften Speisen
bereiten wir uns an Ort und Stelle das Essen mit der schönsten Aussicht
unserer Tour. Bis dato. Aus unserem Transistorradio erklingen währenddessen
süßliche Hardcoretechnorythmen wie "Espania es de puta madre, con Toreros!"
Die Nacht verbringt man in der Stadt, da Flo vor zwei Tagen unsere Bekannte
aus Sevilla, Svenja, am Strand zufällig getroffen hat. Die wohnt
mittlerweile in Tarifa und jobbt dort mehr oder weniger inner
Sportklamottenbude. Die führt uns inne alternative deutsche
Caipirinhakneipe und nen Tanzschuppen, der wie ein stechendes Insekt
heißt. Später am Abend ist die fetteste Housebar überhaupt angesagt,
mit argentinischen Tanzkatzen.
Freitag:
Die Nacht aufm Parkplatz war angenehmer als erwartet. In Tarifa
gibt's anscheinend keine meckernden Störkühe, die uns vertreiben
wollen. Wir verlassen den windigen Ort und fahren mal wieder zu
den Inselaffen nach Gibraltar. Diesmal wollen wir mitm Auto rein.
Da jedoch die Schlange zum Einreisen ins Königreich des schlechten
Essens sich bis kurz vor London erstreckt, parken wir und
überschreiten die Grenze in einer Sänfte zu Fuß. Wir frühstücken in
der Nähe der Main Road und machen Erinnerungsbilder mit den Monkeys,
nicht mit den Affen. Auf dem Weg gen Heimat machen wir einen Abstecher
nach Castillar de la Frontera. Wird nirgends in Reiseführern erwähnt,
ist jedoch ne tolle Sache. Den Tipp hierfür haben wir vom Hippiesurfer
Christian bekommen, den wir auf der Schlafspacewiese kennen gelernt
hatten. Das ist eine Burg aufm hohen Berg. Inmitten der Mauern befindet
sich ein lustiges Dörfchen voller Hippies und verprellter Alt-68er mit
Flamcencobars. So mit Malstube und Grillen auf der Strasse. Für das
nächtliche Flamencofestival bleibt uns aber keine Zeit, da Flo abends
wieder Anschaffen muss. Also zurück nach Sevilla. Hervorstechender
Kurzurlaub!
Samstag:
Die Bude und unsere Körper werden wieder auf Vordermann gebracht,
so mit Zähneputzen und Boden schrubben und so. (Anm. Jo: Das hat
natürlich überhaupt nichts damit zu tun, dass am Dienstag meine
geschätzten Eltern kommen. Nein, nein.) Jo wird von unseren
Espaniolen in ne unbekannte Bar entführt. Mitten in nem Park
erscheint sie plötzlich und birgt europäische, asiatische und
arabische Stilelemente in sich. Hiermit sprechen wir eine
außerordentliche Empfehlung für den Schuppen aus! Mas tarde
ersuchen wir erneut eine Aufendhaltsgenehmigung im Elefunk. Mit
dabei sind weitere Südländer und holländische Meerjungfrauen.
Sonntag:
Unsere weltberühmte all sonntägliche Lethargie lässt sich auch
heute nicht von der Hand weisen. An die Temperaturen in Sevilla
müssen wir uns erst wieder gewöhnen, nachdem wir in Tarifa
Frostbeulen unter den Zehennägeln bekommen haben. Erst gegen Abend
wagen wir einen Schritt vor die Tür. Ab heute gibt's ein Wiedersehen
mit Friedi, Jos Kampfgenossin während drei harten Wochen
Sprachunterricht - das war Anfang März.. Gemeinsam zieht man mit
ner deutsch-spanischen Mischungskampagne durch unsere heißgeliebte
Stadt.