Sex
Soundtrack: Nazarener-Stimmungsmucke
Stimmung: Osterprozession
Bude: NEU!
Montag:
Guten Morgen neue Woche! Fast euphorisch sehen wir den Veränderungen
entgegen, welche diese Woche mit sich bringen wird. Heute geht's -
mal wieder - in die Uni. Wir besuchen einen Intensivkurs, bei dem wir
lernen, antike Scherben zu zeichnen.
Kurze Anmerkung zum weiteren Ablauf: Wie ihr seht (@besonders die Eltern)
gehen wir in die Uni. Da wir andere Ereignisse aber für
erwähnenswerter und interressanter halten, wird dies in den
Ausführungen der folgenden Wochen nur am Rande beschrieben.
Also, der Montag, die Uni, sonst nichts.
Dienstag:
Besichtigungstour. Auf dem Programm steht ein eins A- Palast, der schon
ganz schön alt ist. Am Abend Abschiedsfete von unserer
Lieblings-Isländerin in der stadtbekannten Carboneria.
Mittwoch:
Uni. Während unserer Studien werden wir von einem hektischen Anruf
unterbrochen: Unsere Bude ist bezugsfertig! Endlich! Unsere WG in der
Calle Salado wurde uns auch langsam zu gefährlich: In direkter
Nachbarschaft befindet sich nämlich ein Hotel, in dem nur Amis hausen.
Wegen der steigenden Terrorgefahr wurde uns das langsam zu heikel. Kaum
in der neuen Straße angekommen, sehen wir allerdings, dass direkt
gegenüber das sevillanische Hauptüro der spanischen Eisenbahn ist.
Mmh. Am Nachmittag geht's fix flott in die alte Bude zurück: Unser
Mitbewohner Tim wird nämlich heute zum Fernsehstar. Vor der Kamera
des andalusischen Lokalsenders erzählt Tim von seinem Heimatland Kanada
und fährt seine kanadischen Kochkünste vor.
Donnerstag:
Ihr sollt nicht denken, dass diese Woche nichts gebacken
war. Jetzt geht's erst richtig los. Nachdem wir alle unsere 7000 Sachen
zusammen gepackt haben, soll es eigentlich schnell mit dem Büschen
losgehen. Eigentlich. Das Büschen springt nämlich nicht an (Diagnose:
wahrscheinlich Batterie leer). Unser ganzes Gepäck haben wir aber schon
ins Treppenhaus geräumt. Unter fragenden Blicken anderer Mitbewohner
campen wir dort also drei Stunden, bis der lokale Abschleppdienst eintrifft.
(Organisationsstrang per Telefon: ADAC-München - Büro Barcelona - Madrid
- Sevilla). Nach Reanimation unseres Büschens (es war wirklich nur die
Batterie) erreichen wir im strömenden Regen schließlich das Ziel
unserer Träume: Aldi. Den gibt's nämlich nicht in unserer neuen
Hood. So starten wir im Hinblick auf die kommenden Einweihungsparties einen
Großeinkauf (bitte wörtlich nehmen). Wir scheuen nicht davor, mit dem
Bully DIREKT vor der Wohnungstür zu parken, auch wenn erhebliche
Verkehrsbehinderungen bis an die portugiesische Grenze die Folge sind.
Kaltschneuzig wird das Hupen erboster Verkehrsteilnehmer ignoriert; wir
sind schließlich alle nur Spanier! Abends kochen wir für amerikanische
Mitbewohner (Amis, oh nein!). Die sind ganz nett, auch wenn deren Lebensstil
sich im Nachhinein als alternativer als erwartet herausstellt. Später
kommt, ihr wisst es schon, ein Donnerstag - Doblon!
Dort sind wir mittlerweile bekannt wie bunte Hunde. Deshalb bekommen wir auch
ohne die Hilfe unserer Homie-Sekretärin eine Auswahl gekühlter
Erfrischungsgetränke für lau gereicht.
Freitag:
Es stellt sich heraus, dass einige der weltbekannten Semana Santa-Prozesionen
direkt vor unserer Loft ihrem bunten Treiben nachgehen werden. Da wir ja nicht
zum Spass hier sind, beschließen wir auf Anregung unserer Lehrer und der
Putzfrau, eine Werbeaktion sondergleichen zu starten. Zwei Studenten BIETEN
(nicht wie zuvor dauernd "suchen") 2 Balkone mit tollster Aussicht auf
die weihrauchschwenkenden Super-Christen. Sevilla wird erneut vollgehangen.
Melancholisch stoßen wir dabei immer noch auf die Relikte unserer
vorangegangenen Werbeaktionen ("zwei Studenten suchen..."). Dreist wie
wir sind, benutzen wir natürlich auch unsere größten Konkurrenten als
Werbeträger: die überall aufgebauten städtischen Schautribünen.
Auch öffentliche Nahverkehrsmittel werden selbstverständlich in die
Werbeaktion eingebunden. Abends steigt auf der Dachterasse mit Blick über
die Dächer Sevillas unsere Einweihungsparty - und die hat sich gewaschen.
Unikollegas, Sprachschulkollegas, Lehrerkollegas, Wohnungskollegas geben sich
die Klinke in die Hand. Besonders erfreut sind wir über die große Anzahl
eingeborener spanischer Gäste.
2.30: Die Fete scheint langsam auszuklingen. Da merken wir, dass auf der
Straße zwei wilde Partystuten zu unseren Rhythmen ausrasten. So bitten wir
sie hoch.
2.35: Die Sache mit der Party scheint sich rumgesprochen zu haben. Unserer
belgischer Mitbewohner hat seinen engsten Freundeskreis noch mitgebracht.
So kommen Pablo, Jose, Javier, Juan und wie sie alle heißen in Zweierreihen
durch unsere Eingangspforte marschiert. Der Besucherstrom scheint nicht mehr
abzureißen, und bald kennen wir kaum noch jemanden. Die Bude ist propevoll.
W I R integrieren uns aber schnell wieder in U N S E R E Fete und lassen uns
auch von langweiligen Nachbarn nicht aus dem Konzept bringen. Um deren
wütende Zwischenrufe zu übertönen, drehen wir die Musik noch etwas
lauter.
6.05: Jetzt haben wir Bock, wegzugehen. Die letzten 15 Freunde begeben sich
also nach Berlin (Bar um die Ecke).
Samstag:
Nach halbherzigen Aufräumaktionen (wo solln wir bloß anfangen?) lädt
uns unser Lieblings-Spanier Manuel ins Fußballstadion ein: Sevilla -
Espanol Barcelona. Sevilla gewinnt 1 : 0. Daraufhin gründen wir einen
Fanclub und schwören dem Verein ewige Treue. Dies besiegeln wir mit einem
Foto (siehe Foto). Mit Manuel und vielen anderen Freunden geht's auf Tapatour
und anschließend in einen Tanzschuppen.
Sonntag:
So, jetzt ist Sonntag und damit Auftakt der Semana Santa-Prozessionen.
Allerdings fühlt man sich ein bisschen wie beim Welttreffen des Ku
Klux-Klans: Die Prozessionisten laufen nämlich mit spitzen hohen
Hüten und Kostümen rum, die denen zum Verwechseln ähnlich sehen.
Auf ihren Schultern tragen die Ultra-Christen außerdem tonnenschwere
Brimbaboria mit Statuen und Kerzen durch die Gassen und werden dabei von
wirklich schrecklicher Musik begleitet. Die Stadt platzt aus allen Nähten,
vergleichbar mit Köln-Karneval. Nur die Musik ist etwas depressiver.
Die ganze Stadt hat sich tierisch in Schale geworfen. Auch Jo läuft bei 30
Grad im Schatten mit Anzug rum. Da unseren Balkon bis jetzt niemand gemietet
hat, verfolgen wir selbst den Zug aus nächster Nähe. Kleine Kinder lassen
sich Wachs auf die Hände träufeln und machen daraus große und kleine
Kugeln. Sind die noch ganz knusper?
- Aber im Ernst: Die Züge sind echt beeindruckend - so was gibt's sonst
nirgendwo in der Welt! Wir haben den Sinn von manchen Bräuchen noch nicht
rausgefunden. Wenn wirs wissen, werden wir euch darüber informieren.
Dafür haben wir noch eine ganze Woche Zeit, denn ab jetzt ziehen jeden Tag
Prozessionen durch die Straßen.
P.S.: Die Überschrift wurde gewählt, um Aufmerksamkeit zu erregen.
Wann habt ihr zum letzten Mal für 132,27 € bei Aldi eingekauft?