Fünf ist Trümpf
Soundtrack: Buleria
Stimmung: de puta madre
Neue Mitbewohnerin: Hongkong-Girlie Sherry-Shirley
Das Wichtigste zuerst: Wir haben eine Wohnung de-puta-madre! Wie kam
das:
Montag:
Montag - wieder mal Wohnung schaun. Statt dem Vermieter treffen
wir zum verabredeten Termin aber einen total zugedröhnten
Marokkaner. Der hält uns mit Erdbeersaft bei der Stange, der
Vermieter trudelt aber nicht ein. Stimmung ist auf dem Tiefstand,
als ein Ereignis eintritt, das unser Leben verändern sollte:
Zwei Mädels aus Deutschland rufen an, die ham ne Bude für
uns: Zwei Zimmer im Studentenhaus mit Dachterasse, mitten in der City.
Also nichts wie weg und auf zur Wohnungsbesichtigung (Montag nachts
um halb 12). Wir sind uns einig: Dat isses! Altbau (1862), 1. Stock.
Im Sommer nicht zu heiß. Große Küche, großes
Bad, Dachterrasse mit Blick auf die Kathedrale. D.h. erstklassiger
Blick auf die berühmten sevillanischen Osterprozessionen –
bei Jo und Flo sitzen Sie in der ersten Reihe!
Dienstag:
Nach kurzen Telefonschaltungen zu Eltern und anderen finanziellen
Förderern unserer Spanien-AG fackeln wir nicht lange und geben
am D i e n s t a g grünes Licht. Endlich - nach drei
turbulenten Wochen der Wohnungssuche - sind wir jetzt Bürger
unserer geliebten Vaterstadt Sevilla! Der Alex aus Barca ist
übrigens die ganze Zeit noch am Start. Da aus ihm die Erfahrung
spricht, steht er uns mit Tips und Tricks zur Seite.
Aber kommen wir zurück zu M o n t a g , denn da war ja Uni angesagt.
Also machen wir uns auf den Weg, neue Welten zu erkunden. Wie es sich
für anständige Studenten gehört, sind wir ne halbe Stunde
zu früh da um dann zu erfahren, dass diese Woche alle Veranstaltungen
ausfallen. Mmh..... Keiner soll sagen, wir hätten nicht genug Einsatz
an den Tag gelegt! In einer Privataudienz mit unserer Ansprechpartnerin
Prof. Leon bekommen wir noch eine Einladung zugesteckt für nen
Archäologie-Kongress, der die Tage in Sevilla steigt.
Mittwoch:
Alex verlässt uns wieder. Schön, dass er da war.
(Danke noch mal für das Frühstück mit Coronita!) Die Meldung
über die erfolgreiche Wohnungssuche der beiden Spanier verbreitet sich
wie ein Lauffeuer. Spontane Jubelfeiern bei den Nachbarn in der Calle Salado
sind die Folge - in der neuen Calle Zaragosa hingegen wird für drei
Tage Staatstrauer angeordnet. Spezialeinheiten des Grenzschutzes
umzäunen das Gelände großräumig und evakuieren die
Nachbarschaft.
Abends verschlägt es uns auf eine Erasmus-Party. Dort gibt es ein
exotisches spanisches Erfrischungsgetränk für lau, das
angeblich auf einer den Deutschen nicht ganz unbekannten Insel meist aus
Eimern getrunken wird.
Donnerstag:
Um unsere wissenschaftlichen Vorbereitungen für die
kommenden Aufgaben zu intensivieren, beschließt nach unserer Anregung
die gesamte Sprachschule zur römischen Ausgrabungsstadt Italica zu
fahren. Italica wurde 206 v. Chr. gegründet. Im Gegensatz zu Sevilla
sind die meisten Häuser allerdings kaputt. Zu den Highlights zählen
das krass erhaltene Amphitheater und unsere g e l i e b t e n Mosaike.
(@die Archäologen: ein Schelm, wer böses dabei denkt!)
Nach Erkundungsmärschen durch unsere neue Hood und Verbrüderung
mit lokalen Tex Mex-Homies treffen wir uns mit echten spanischen
Archäologen-Kolegas. Wir tauschen Ansichten über unsere momentanen
Lebenssituationen auf Spanisch aus und kommen zu dem Schluss, dass die
Kommilitonen allesamt nett und nicht verstaubt sind. Die gesamte Prozession
bewegt sich zu gesetzter Stunde zur Austauschsause ins Doblon.
Freitag:
Tatsächlich erheben wir uns zu früher Stunde und besuchen
die archäologische Fachtagung, die uns zuvor von Prof. Leon ans Herz
gelegt worden war. Dank der freundlichen Englisch-Simultanübersetzerin
sind die Sprachbarrieren nicht ganz so groß. Abends ist Abschied nehmen
angesagt. Bündnisse, Ehen, ja sogar Marmor, Stein und Eisen zerbrechen
und so auch tolle Spanischklassen. Da am Samstag ein Teil gen Heimat aufbricht,
wird noch mal in geselliger Runde eine Tapa erhoben. Jo verabschiedet sich
früh. Und früh wird er auch von einer anstürmenden After
hour-Party in unserer eigenen Bude wieder geweckt ( 5h ) und zum Weitermachen
reanimiert.
Samstag:
Alles hat ein Ende... so auch unser Wohnverhältnis mit der super
tollen WG Salado 6b! Wir müssen unsere Betten räumen. Nach einer Woche
gratis-Aufschub (@Sprachkurs-Sekräterin: muchas, muchas, muchas gracias!)
ist nun leider endgültig Schluss. Wir packen unsere Umzugskartons und
ziehen aus unserem Privatzimmer ins... Wohnzimmer. Abends Treffen mit nettem
Archäopterix-Spanier und Besuch mehrerer Lokalitäten unterschiedlichen
Lokalkolorits. Dem Kollega gefallen unsere Mädels so gut, dass er sie bis
in die frühen Morgenstunden zu heißen Flamenco-Rhythmen durchnudelt.
Sonntag:
Jerez de la Frontera ist ein netter kleiner Fischerort am Atlantik, der
allerdings keinen direkten Meeranschluss besitzt. Dumm für Jerez.
Dafür hat Jerez eine andere Attraktion: Es ist die Heimatstadt des
berühmten Weinbrands Sherry! Und genau deshalb fährt unsere
gesamte WG dahin (inklusive neuem Hongkong-Girlie), aber mit der Eisenbahn.
In der größten Sherry-Firma gehen wir auf Besichtigungstour wie vor
uns unter anderem schon King Carlos und Steven Spielberg. Unterwegs treffen wir
ein paar besoffene Mäuse. Kein Scheiß, die trinken hier aus
Gläsern. Genau wie die pikfeine Kundschaft. Angeblich trinken die Mäuse
eine ganze Flasche "Tio Pepe" pro Woche... Bei der anschließenden
Probe kennen wir kein Pardon und bedienen uns schamlos auch am Nachbartisch!
Zurück in Sevilla lässt uns die neue dänische Mitbewohnerin
nach Paella-Bestechung in unserer WG weiter wohnen. Damit wäre das
Überbrückungsproblem auch schon mal gelöst. Aber welche Frau
kann uns heißblütigen Andalusen schon wiederstehen? In diesem Sinne:
Buenas Noches, und bis nächste Woche, Euer Tio Pepe.
Nachträge:
Noch ein kurzer Satz zur ökonomischen Situation: Wir stehen kurz vor dem
wirtschaftlichen Zusammenbruch, da sich unsere Strumpfvorräte durch
ansteigende Frequentierung und gleichzeitiges Ausfallen der Waschmaschine
empfindlich vermindert haben. Um einen totalen Kollaps zu vermeiden soll
eventuell eine Luftbrücke nach Mitteleuropa aufgebaut werden. Aber man
weiß noch nichts genaues.
Noch eine kleine Geschichte am Rande. Wir können sie erst jetzt
erzählen. Flo hat einige Wochen gebraucht, um das im Folgenden
beschriebene Trauma zu überwinden.
Sonntag vor vier Wochen, erster Tag in Sevilla. Flo und Jo zocken Basketball
auf dem angrenzenden Schulhof. Eine Horde von 30 (!) Kindern beansprucht
dummerweise das Gelände für sich, so dass eine Auseinandersetzung
unvermeidlich erscheint. Dennoch wird Jo freundlich aufgenommen (Amigo! Amigo!).
Flo allerdings - obwohl des Spanischen noch nicht ganz so mächtig -
versucht sich in einer Konversation. Versehentlich benutzt er dabei ein falsches
Wort, dessen Bedeutung er bis dato nicht kannte ("Gilipollas"). Daraufhin
werden die beiden Zugezogenen von der ganzen Horde mit Beschimpfungen und
Anspucken malträtiert und vom Platz getrieben. Auch die Fußballpumpe
musste dran glauben.