Woche dry

Soundtrack: Gypsy Kings.
Stimmung: Aufbruchstimmung
Präsident: nicht mehr Aznar



Nur so als Denkanstoß

Das wichtigste vorweg: Der Kreis hat sich geschlossen. Direkt um die Ecke ist ein Aldi! Danke, unsere Gebete sind erhört worden! Es ist mal wieder Sonntag - 14:30h, also langsam mal Zeit aufzustehen und der Crowd in der Heimat die neuesten Neuigkeiten zu berichten. Wie schnell die Tage doch vergehen. Die Spanische Nacht an sich ist ja nicht ne Nacht wie jede andere. Und gestern die Party...aber fangen wir mal ganz ruhig mit Montag an:

Montag:
Montagabend. Lecker Essen vom original holländischen Asiaten in Spanien. Wie kam das: Unser Sprachkurs dessen WG deren Mitbewohnerin deren Freund aus Holland ist eigentlich gar kein Holländer, sondern Halb-Indonese. Der konnte kochen wie ein Ass und verwürzte uns den Abend. In Sevilla hatten wir bis dato selten so gut gegessen! Kein Vergleich jedenfalls mit unseren eigenen Kochkünsten, obwohl wir deren Licht auch nicht unter den Scheffel stellen wollen.

Dienstag:
Wohnungssuche. Wie ihr wohl alle wisst, können wir leider nicht länger als bis zum 20.3. in unserem Luxusapartment verweilen. Unser Büschen ist zwar gemütlich und hat ein Bett. Da wir aber trotzdem nicht sechs Monate im Büschen wohnen wollen, ist Zeit für einen Tapetenwechsel. Aber nicht im Bully, der bleibt blau! Also: Vom Jo, dessen Kümpel, dessen Mutter, deren Freundin kennt ein Mädel, die in einem Dorf 100 km entfernt von Sevilla lebt. Und deren Tochter wohnt in ner WG in Sevilla. Genau da werden wir vorstellig. Da die beiden Mitteleuropäer jedoch sehr weise und bedacht handeln, unterschreiben sie - vorerst - noch keine Knebelverträge, die ihnen vorschreiben, sie sollten aufräumen oder so! Die Kümpel-WG ist zwar ok, aber ein Zimmer ist leider eins zu wenig für zwei.
Durch einen Tipp aus dem Untergrund erfahren wir, dass sich heiße (Wohnungs-)Ware sicher in der hiesigen Annonce finden lässt. Nur war unser Informant nicht ganz richtig informiert: alle dort angepriesenen Teile werden über nen Zwischenhändler vertickt. Nennen wir diesen Zwischenhändler an dieser Stelle Dealer. Der Dealer empfängt uns mit offenen Armen in seinem verrauchten Büro, das sich in einem der gefährlichsten Bezirke der Stadt befindet. Informationen sind in diesen Kreisen soviel Wert wie drei Kilogramm weißes Kokain: Der Dealer wollte 160 Euro. Falls uns das Teil nicht zusagen sollte, hätten wir eben Pech gehabt. Da wir gerade neu in der Szene sind, lassen wir den Deal platzen. (Außerdem hat Mama uns davor immer gewarnt: Geht nicht mit fremden Männern mit und gebt dem Dealer bloß nicht 160 Euro und bekommt dafür nix!)
Unsere Homie-Sekretärin steckt uns eine neue Nummer zu. Leider ist Juans Bude mitten in der Altstadt aber schon belegt. Nachdem wir also unsere Kontakte haben spielen lassen, hängen wir uns selbst rein. Wir starten eine Werbeaktion, wie sie ganz Südspanien seit Francos Wahlsieg nicht mehr gesehen hat. Ganz Sevilla wird mit Wohnungs-Annoncen zugekleistert: "2 Studenten suchen Zimmer in zentraler Lage, Schwimmbad auf dem Dach nicht unbedingt notwendig". (Das mit dem Schwimmbad soll unsere Humor-Sympathiepunkte bei möglichen Vermietern steigern). Seitdem kommt Flos Handy nicht mehr zu Ruhe.

Mittwoch:
Das Pulitzer-Preis verdächtige, monumentale Epos "Durchstart in Sevilla" wird veröffentlicht und unmittelbar danach für einen Grammy, einen Oscar und die Goldene Banane nominiert. Kurz darauf rufen ein gewisser Thomas Stein, erboste Bandmitglieder und der Vorsitzende des Fanclubs von dem Jo sein Vater die Band an. Die Empörung ist grenzenlos, alle Nominierungen werden zurückgezogen: "Les Chlochards" heißen natürlich "Les Clocharles"! Außerdem singen die sehr wohl und haben mit ihren Goldkehlchen schon tausende weiblicher Fans zum kollektiven Kollaps gebracht! So enschuldigen wir uns an dieser Stelle in angemessener Form und hoffen, das Musikbuissnes nicht aus dem Gleichgewicht gebracht zu haben.

Donnerstag:
Anschläge in Madrid. Die Welt trauert um 200 Tote und 1500 Verletzte - die deutschen Spanier trauern mit. Ein Mädel von Flos Klasse war nur wenige Stunden vorher in der Bahnstation in Madrid!

Freitag:
Nach der Schule - he he, schon 2 Wochen geschafft - und einer kleinen Siesta werden wir durch das Handy aufgescheucht. Ab Richtung Bahnhof, Bude anschauen. Da uns das zu weit zu Fuß ist, nehmen wir kurzerhand den Bully. Ein letztes Stoßgebet gen Himmel - und...er springt nicht an! Sollte etwa unser geliebter, schon fast zum Olymp erhobene Bully uns nach der Hinfahrt verlassen haben und in die ewigen Jagdgründe eingegangen sein? Aber die beiden Spanier sind ja nicht dumm. Da war doch was: "Wenn ihr den Bully in Sevilla abstellt, dann sorgt auch dafür, dass ihn keiner klauen kann", ertönten einst die Worte eines klugen und beleibten Mannes: Simons Tipp mit der todsicheren Wegfahrsperre (danke noch mal) hätte uns fast selbst überlistet! Aber eben nur fast. Nach dieser Richtigstellung der Dinge springt der Bully sofort und ohne Metzchen an. Eine saubere Aktion, meinen wir!
Also fahren wir Richtung Bahnhof. Auf dem Weg überfährt Jo ne rote Ampel, während direkt daneben zwei Polizisten Taschenbillard spielen. Die interessiert das so sehr, als ob in China ein Sack Reis umfallen oder in Bielefeld ne Bockwurst platzen würde! Aber wir schweifen vom Thema ab, außerdem waren wir noch nie in Bielefeld und in China schon gar nicht.
Einen Parkplatz finden wir natürlich wieder direkt vor der Haustüre (sind das immer noch Zufälle?). Kaum ausgestiegen, kommen zwei attraktive Spanierinnen auf uns zu und legen uns sehr ans Herz, dass Fahrrad doch bitte vom Gepäckträger runterzunehmen: "Das wird euch sonst abgezogen!" welch ein Omen...
Unser vermeintlicher Vermieter in Spe erscheint uns ein wenig konfus: "Ihr Deutschen seid die Besten. Hab euch nur angerufen weil ihr aus Deutschland kommt! Amerikaner sind alle dumm. Ich würde euch die Bude auch schenken, aber ich will die Miete einem Hilfsprojekt in Afrika zugute kommen lassen..." Der redet wie ein Fluss, der über die Ufer getreten ist. Ungefähr eine Stunde lang gehts so weiter. Die Wohnung gehört angeblich seiner Mutter, die ist aber zur Zeit im Krankenhaus und wenn sie wieder kommt, sollen wir uns als seine Töchter ausgeben oder so...

Auf dem Weg nach Hause nötigen uns einige Polizisten sämtliche Verkehrsregeln zu missachten und drängen uns durch Trillerpfeifen, das innerörtliche Tempo deutlich über die Geschwindigkeitsbegrenzung zu steigern.. "Jetzt fahrt doch! Seid ihr bescheuert, an ner roten Ampel zu warten?!" Ein "Links-abbiegen-verboten-Schild? Nicht bei uns in Sevilla!".

Am Freitag Abend findet die drittgrößte Friedensdemo des Landes in Sevilla statt. 700.000 Menschen + die gesamte WG der Calle Salado 6b ziehen durch die Straßen und gedenken der Opfer. Die Zeit scheint für einige Stunden still zu stehen. Alle Geschäfte der Stadt (inkl. Mäckes) schließen für drei Stunden. Die (spät-)abendlichen Aktivitäten am Freitag sind so interessant wie die Nachrichten von Leben auf dem Mars: Es gibt keine.

Samstag:
Am Samstag sind wir also fit wie ein Leberkäse - und freuen uns auf die Aufgaben, die da auf uns zukommen! Nach erneuten Werbetätigkeiten in Sachen Herberge trifft man sich abends zum lustigen internationalen Stelldichein in der eigenen Bude. Anschließend geht's mit Sprachkurskollegas und einem schwedischen Koreaner ins Navarra, wo wir auch einen alten Bekannten treffen: Johnnie Walker. Auf den haben wir aber keinen Bock.

Sonntag:
So, also Sonntag. Was ging noch: Mittelalterlicher Handwerkermarkt mit total abgespackten Althippies im Stil des letzten Jahrhunderts. Weiterhin besucht uns ein leicht zurückgebliebener spanischer Italiener, der unsere Werbeaktion anscheinend missverstanden hat: Nach netten Kennenlern-Spielchen will der doch tatsächlich ein Zimmer von UNS statt andersrum! Nachdem er sein Bier ausgetrunken hat, erklären wir ihm also die Sachlage und schmeißen ihn achtkantig aus unserer Bude. Nach soviel geistigem Hochleistungssport wünschen wir noch eine erfreuliche Woche und verbleiben mit freundlichen, aber distanzierten Grüßen


Hasta luego!

...und Jo war ganz allein beim Frisör und sieht jetzt nicht aus wie Dalmatinerpudel!